"Intakte“ Kirche? - Kirchenkampf in Württemberg

Prälat i. R. Paul Dieterich skizzierte den Weg der Evangelischen Kirche in Württemberg von 1933 bis zur Stuttgarter Schulderklärung 1945 beim Offenen Nachmittag in Mühlhausen an der 'Enz. Reflektiert gab er als Kenner der württembergischen Kirchengeschichte Einblicke in diese dunkle Epoche.

Prälat i.R. Paul Dieterich in der Albani-Kirche zu Mühlhausen an der Enz

Prälat i.R. Paul Dieterich referiert in der Albani-Kirche zu Mühlhausen an der Enz über den Kirchenkampf in Württemberg

Dieterich führte aus, dass die evangelischen Landeskirchen in Bayern, Württemberg und Hannover sich während des Dritten Reiches „intakte“ Kirchen nannten. Dies geschah auf dem Hintergrund, dass bei der plötzlichen Kirchenwahl im Juli 1933, die Hitler den evangelischen Kirchen aufgezwungen hatte und bei der in einzelnen Landeskirchen die hitlertreuen „Deutschen Christen“ bis zu 80 % der Stimmen erhielten, in Württemberg auf die Deutschen Christen „nur“ 49% der Stimmen entfielen.

Reflektiertes Bild von Theophil Wurm gezeichnet

Prälat i.R. Dieterich zeigt auf, wie sich der württembergische Kirchenpräsident Wurm, der dann entsprechend dem damaligen Führergedanken „Landesbischof“ tituliert wurde, mühte, die Deutschen Christen und andere Gruppierungen in einer Kirche zusammenzuhalten. Dabei hat er Kompromisse geschlossen, die Seitens der Bekennenden Kirche kritisch bis ablehnend aufgenommen wurden. „Wurm krümmt sich wie ein Wurm“ hieß es in der „Sozietät“ um Herman Diem und Paul Schempp, der u.a. in Iptingen Pfarrer war.
In den Vierzigerjahren zeigte sich Wurm geradliniger und streitbarer. Besonders wenn es um die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ ging stellte sich deutlich und unter Gefahr für Leib und Leben diesem entgegen. Zudem kümmerte er sich um Pfarrer, die im Wiederstand gegen das NS-Regime waren, so dass diese nach der Haft Anstellung und Auskommen hatten und diese dunkle Zeit überlebten.

Den Schlusspunkt seiner Ausführungen bildete die Stuttgarter Schulderklärung, von Dieterich als "Schuldbekanntnis" bezeichnet, die er zitierte auch als Impuls für Heute:

"Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben. Nun soll in unseren Kirchen ein neuer Anfang gemacht werden". Der Geistliche gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass das Christentum immer einen Neuanfang ermögliche, wenn dieser ernsthaft gewollt ist.

Offener Nachmittag unter besonderen Vorzeichen

Auf Grund der besonderen Situation fand die Veranstaltung des Offenen Nachmittags in der Albani-Kirche in Mühlhausen an der Enz statt. Diakon Michael Gutekunst, geschäftsführender Bildungsreferent dankte in seiner Begrüßung allen Interessierten, die sich auf den Weg macht hatten.

Covid-19 sei es geschuldet, so der Diakon, dass es anders als bisher nicht ganz so offen bei dieser Veranstaltung zu gehe, wie gewohnt und eine Anameldung erforderlich ist. Deshalb gebe es weder Hefezopf, Brezel noch Kaffee gebe und die Möglichkeit zur Gemeinschaft sehr eingeschränkt. Umso mehr freue er sich über die gemeinsame Zeit.

Am Ende dankte Michael Gutekunst Prälat Dieterich, allen Teilnehmenden und der Evangelischen Kirchengemeinde Mühlhausen an der Enz für die Gastfreundschaft.
Er schloss die Veranstaltung mit einem Wort von Gustav Heinemann, das er als Präses der Synode der EKD 1950 beim ersten offiziellen Evangelischen Kirchentag sagte:

"Lasst uns der Welt antworten, wenn sie uns furchtsam machen will: Eure Herren gehen - unser Herr aber kommt!"